Beitrag #34
16.11.2011, 14:11
(16.11.2011, 12:29)Angelika schrieb: [hier gekürzt] Wenn also TS dann keine Krankheit mehr sein sollte, wird es auch keine entsprechenden Befunde oder Gutachten mehr geben, und damit fällt unter Umständen auch die Möglichkeit der PÄ ohne GA-OP flach.
Diese wird es dann nur mehr geben, wenn eine GA-OP, die aber selbst bezahlt werden muss, nachgewiesen werden kann.
Denn nur durch diese ist die PÄ defakto eingetreten (siehe Rechtsprechung des EGMR). Und nur dann wird § 16 PStG in der heutigen Formulierung auch auch tatsächlich schlagend.
Also könnte eine Depathologisierung auch eine Wiedereinführung des OP-Zwanges durch die Hintertüre bedeuten.
Schon mal darüber nachgedacht?
Ich frage mich eher, warum manche ständig drüber nachzudenken scheinen, wie sie in der Community selbst mit m.E. völlig grundlosen Argumenten Panik vor der De-Psychopathologisierung schüren können?
Die für die Personenstandsänderung gültige Auslegung des § 16 PStG steht immer noch im Erkenntnis Zl. 2008/17/0054 des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2009:
Zitat:Norm
MRK Art 8;
PStG 1983 § 16;
Rechtssatz
Der Verwaltungsgerichtshof hält an seiner bereits im Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 95/01/0061, zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht fest, dass für den Bereich des österreichischen Personenstandsrechts in Fällen, in denen eine Person unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, und sich geschlechtskorrigierenden Maßnahmen unterzogen hat, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird, die betreffende Person als Angehörige des Geschlechts anzusehen ist, das ihrem äußeren Erscheinungsbild entspricht. Sollte diese Voraussetzung gegeben sein, hat die Personenstandsbehörde die Beurkundung des Geschlechts im Geburtenbuch zu ändern, weil sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.
Wo genau steht da was von F-64.0? Das einzige, was am Rande in den psychiatrischen Bereich verweist, ist die Formulierung von der "zwanghaften Vorstellung" - aber auf die kommt es nicht an, sondern auf die faktische Annäherung des Erscheinungsbildes an das Nicht-Geburtsgeschlecht und die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich am Gender-Zugehörigkeitsempfinden nichts mehr ändern wird. Für eine Prognoseentscheidung zu letzterem braucht die Behörde, gerade wenn die Diagnose F-64.0 verdunstet ist (denn damit fällt TS ja sozusagen aus dem Zuständigkeitsbereich der Psychiatrie heraus), eigentlich nicht einmal (mehr) ein fachärztliches Gutachten. Jedenfalls sinken m.E. zumindest tendenziell die Anforderungen an das Beweismaß.
Letzterer Blickwinkel ist doch auch nicht ganz ohne Charme, oder?
Die Notwendigkeit einer gaOP schließt der Verwaltungsgerichtshof in einem weiteren Rechtssatz aus dem zitierten Erkenntnis sogar ausdrücklich aus:
Zitat:Norm
MRK Art 8;
PStG 1983 § 16;
Rechtssatz
Der Verwaltungsgerichtshof geht im Hinblick auf die österreichische Rechtslage davon aus, dass ein schwerwiegender operativer Eingriff, wie etwa die Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 95/01/0061, auf die (psychische) Komponente des Zugehörigkeitsempfindens zum anderen Geschlecht hingewiesen. Ist dieses Zugehörigkeitsempfinden aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel und nach außen in der Form einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zum Ausdruck gekommen, ist der österreichischen Rechtsordnung kein Hindernis zu entnehmen, das eine personenstandsrechtliche Berücksichtigung des für die Allgemeinheit relevanten geschlechtsspezifischen Auftretens hindern würde.
Und das gilt, jedenfalls solange nicht am Text von § 16 PStG herumgebastelt wird.
- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! -