Beitrag #6
23.01.2017, 19:10
(22.01.2017, 12:50)Mike-Tanja schrieb:(22.01.2017, 08:45)Eva_Tg schrieb: [hier gekürzt]Das stimmt (ich vermute, die Krankenkasse hat keine Revision versucht, weil sie keine öffentliche Diskussion riskieren wollte). Das von Jasmin Viktoria zitierte Berufungsurteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ist in gewisser Hinsicht eine Billigkeitsentscheidung bzw. ein Appell an andere Gerichte: "Schaut auch die Klägerin genau an, und folgt eurem Gefühl und eurem Herzen!"
Ich würde das jetzt eher als Druckmittel sehen: Entweder ihr bezahlt freiwillig oder wir führen ein jahrelanges Verfahren, das ihr wahrscheinlich verlieren werdet. So wie es in Deutschland schon passiert ist.
Das ist zwar einerseits menschlich schön, ist andererseits aber keine juristische Argumentation. Das Gericht hat die Auslegung der deutschen Sozialgesetze (insbesondere § 27 des 5. Buchs des deutschen Sozialgesetzbuchs - SGB V) nicht verändert. Es hat einfach den Sachverhalt verschoben, indem es gesagt hat: "Wer so ausschaut, ist krank und verdient Hilfe."
Hat aber einen großen Haken: das schafft keine Rechtssicherheit, da es, wenn man versucht aus der Entscheidung einen Leit- oder Rechtssatz zu bilden, allein auf den Blick der Richter/innen ankommt, die den Daumen heben oder senken müssen. Wenn man es polemisch formulieren möchte: der Gerichtssaal als Laufsteg für einen Hässlichkeitswettbewerb. Bist du als Frau hässlich genug, männlich-kantig vielleicht, gewinnst du eine OP.
Man braucht es noch nicht mal polemisch formulieren, es ist doch schon an sich paradox. Man muss andere davon überzeugen das man krank ist, obwohl man Transidentität nicht als Krankheit versteht.
Auch wenn man die Argumentation umdreht, wird es nicht besser: Weil man transident ist und auch noch Pech hat aus der Norm zu fallen, braucht man medizinische Hilfe, wäre man nicht transident würde man nicht aus der Norm fallen und bräuchte auch keine Hilfe.
Das ganze ist sehr paradox und dann kommt auch noch das persönliche Empfinden der Richter hinzu. Denn er möchte nun zweifelsfrei festlegen, wann ein Frauengesicht nicht mehr der Norm entspricht?
Ich denke, man kann in der Begründungen noch so viel schreiben, letztlich steckt doch irgendwo eine Spur Mitleid/Mitgefühl im Urteil.
Ob sich das für eine Wiederholung eignet wage ich doch zu bezweifeln.
Ich glaube auch nicht, dass der Sache juristisch beizukommen ist, sondern nur (gesundheits)politisch, indem nämlich solche Eingriffe in den Leistungskatalog aufgenommen werden. Das würde mehr Rechtssicherheit schaffen als solche Einzelurteile.
Und es spricht ja nichts dagegen, die Leistungen so auszuformulieren, dass bei Transidentität im Bedarfsfall auch solche Eingriffe übernommen werden müssen. Wenn die HRT keine sichtbare Veränderung bringt und die Betroffene psychisch darunter leidet, dann sollten die Kassen das als letzte Möglichkeit in Betracht ziehen.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.