Beitrag #38
19.04.2018, 08:38
(17.04.2018, 17:22)Reva schrieb: Ich sollte vielleicht hier noch erwähnen, dass es vielleicht einen sehr großen Unterschied macht wie man von der "Gesellschaft" wahrgenommen wird.
... und wie man damit umgeht...
Zitat:Ich sagen mir zwar immer, dass mir die Gesellschaft total egal sein kann, aber ich denke, dass sich da auch viele ein bisschen selbst belügen.
Ein realistischeres Bild davon, wie jemand zur Gesellschaft so allgemeinhin steht, kann man wahrscheinlich nur dann gewinnen, wenn man auch Einblicke in ein paar andere Lebensbereiche hat, wie es dort so darum bestellt ist.
Zitat:Mir ist die Gesellschaft zwar egal, aber in meinem Fall muss ich dazu sagen, dass ich in der Hinsicht vielleicht auch einfach leicht reden habe, da ich nie negative Erfahrungen bisher machen durfte, ganz im Gegenteil.
Gut für Dich!
Eigenartigerweise bin ich auf genau gegenteiligem Wege dahin gelangt. Ich wäre so oder so ausgegrenzt gewesen, hätte in der Hinsicht nichts zu gewinnen gehabt (und auch nichts zu verlieren).
Hätte ich mich anzupassen versucht (wie auch immer, was ja auch noch so eine Frage gewesen wäre...), hätte ich mich doch nicht plötzlich besser mit irgendwelchen Leuten verstanden. Ganz im Gegenteil wäre Selbstverleugnung doch die endgültige Festschreibung der Tatsache gewesen, daß wir nie je eine Chance gehabt hatten, uns zu verstehen.
Zudem sollte eine Gesellschaft, die es nicht sehr gut mit mir gemeint hat, sich nicht einzubilden, daß ich ihr dafür auch noch hinterherliefe Aber vielleicht war ich nur umso verzweifelter.
Zitat:Die Erfahrung haben mich eher noch mehr dazu bestärkt, einfach ich selbst zu bleiben und nicht die Operation zu machen. Man tut das alles natürlich in erster Linie für sich (Hormone, GaOp), dennoch tut man es indirekt auch um es der Gesellschaft recht zu machen, andernfalls könnte man das ganze auch sein lassen und als Mann durch die Gegend gehen mit den Namen Martina von mir aus. Ich bin auch nicht 100% davon gefeit, sonst würde ich nicht die Hormone nehmen, den ich denke ich würde mich auch ohne ganz wohl fühlen, allerdings gefallen ich mir in meinen Körper so wie ich bin und wenn es meinen Mitmenschen auch gefällt ist das auch okay. Es ist schön "Frau" zu sein und ich fühle mich wohl damit
Klar, letzteres ist bei mir dasselbe
Was die GA-OP anging, war das bei mir aber noch nicht so ganz alles. Ich hatte da schon so meine Wünsche, wie mein Liebesleben aussehen sollte Ich hätte nur verrückt sein müssen, meine sexuellen Phantasien mit allen möglichen Leutchen zu diskutieren (und Psychos schon gleich gar nicht... Die waren aber auch nicht allzu neugierig. Wahrscheinlich gehörten die zu den vielen Leuten, die mir einfacherweise irgendetwas unterstellten...). Ich gehörte nun auch nicht zu den Transmenschen, die sich selbst nicht anfassen konnten, geschweige sich anfassen zu lassen. Asexualität war für mich nie eine Option. Und ich bin auch nicht gerne alleine (nur wenn es gerade mal wieder heftigen Ärger gab, mag das zeitweise als das kleinere Übel erscheinen).
Natürlich wußte ich vor der GA-OP sehr wohl, daß ich nicht wissen konnte, wie sich das hinterher anfühlen würde, aber zurückhalten konnte mich das dennoch nicht. Mag sein, ich hatte zum einen Glück, zum anderen mögen auch bestimmte Einstellungen eine Rolle spielen, daß es sich besser anfühlte, und auch der Sex besser war.
In der Rückschau sieht das leicht so aus, als sei alles geradezu zwangsläufig bei mir darauf hinausgelaufen. Aber ich hätte durchaus ganz schrecklich scheitern können. Wenn ich gewußt hätte, wie ich mir das hätte ersparen können, hätte ich nichts dagegen gehabt, wenigsten einmal ernstlich darüber nachzudenken... Ich wäre zudem oft lieber meiner eigenen Wege gegangen, anstatt mir etwas aufschwatzen lassen zu sollen, was für mich dann doch ganz schnell anders darstellte. Geschweige mich in meiner jugendlichen Verunsicherung auch noch einschüchtern lassen zu sollen.
(Nur der Name "Martina" hätte zu mir echt nicht gepaßt).
Zitat:allerdings wenn es irgendwann die Gesellschaft schaffen würde nicht mehr in Rollenbildern zu denken, könnte ich mir auch sonst irgendwas vorstellen. Das wird aber wohl noch Generationen dauern. :Big Grin:
Meine Vorstellungsgabe ist leider nicht so ausgeprägt
Ich habe mich irgendwie daran gewöhnt, daß viele Leute so denken, bzw. früher war das noch viel extremer. Da dachten manche, würde "die Gesellschaft" mehr Variation tolerieren, würde sich etwas wie Transsexualität erübrigen. Nur der praktische Nutzen solcher Utopien hät sich dann doch in Grenzen. Außerdem, wenn schon Toleranz, warum sollte ich die als Transsexuelle nicht auch genießen dürfen?
Wäre ich unter anderen Umständen aufgewachsen, hätte ich schon gesehen, was ich daraus hätte machen können.
Ich finde es schon schwer genug, mir vorzustellen, wie das wäre, wäre ich 40 Jahre jünger. Aber auch auf dieses Problem dürfte die Lösung sein, daß dann mein Leben in viel umfassender veränderten Kontexten stattgefunden hätte. Das ist viel zu viel, um das überhaupt erfassen zu können.
Zitat:Glaub mir es ist eigentlich total egal wer oder was du bist, so lange du einfach Mensch bist. :Smile:
Ja... vielleicht... wäre zumindest schön...
Unbefangen zu sein fällt mir dennoch sehr schwer, nachdem mir zu viele Leute erzählt haben, Psychos hätten sie einzuseifen versucht, ob sie denn nicht auch vorstellen könnten, "einfach nur als Mensch leben". Natürlich war da "Mensch" gleich "Mann" zu lesen. Bei mir haben sie solche Touren aber nicht versucht. Wahrscheinlich war ich ein viel zu hoffnungsloser Fall
Umgekehrt hat vieles an Homo- und Transphobie tatsächlich sehr unmenschliche Züge. Und leider heilt Zeit doch keine Wunden.
(17.04.2018, 13:43)Viola_ schrieb: Ich bin mittlerweile 26 Jahre alt. Von meiner Transidentität weiß ich eigentlich schon sehr lange, auch wenn ich nicht immer ein so Aussagekräftiges Wort, wie dieses dafür hatte.
Oh, wirklich? .... Da bin ich 34 Jahre älter als Du (und damit gewißlich keine Digital Native), und ich kannte schon in meiner Kindheit und Jugend eine ganze Menge Wörter Nur wie aussagekräftig die waren, mag man tatsächlich kritisch sehen.
Offengestanden habe ich bis heute keine Theorie, die zu meiner Praxis paßte. Aber das ist nicht schlimm
Zitat:Etwa im Alter von 19 als ich das erste Mal dann wirklich alleine auf beiden Beinen stand, hab ich für mich damals versucht herauszufinden, was der beste Weg für mich ist.
Ich bin damals zu dem Entschluss gekommen, keine HRT machen zu wollen. Einfach aus dem Grund, weil ich irgendwie "Angst" davor hatte. Ich wollte nicht mein Leben lang irgendwelche Hormone / Blocker oder was auch immer zu mir nehmen (Ich mag schon keine Kopfschmerztabletten).
Es kommen v.a. merkliche körperliche (und auch psychische) Veränderungen auf einem zu, selbst wenn man sich die gewünscht hat. Da kann schon gut Raum für Ambivalenzen sein.
Zitat:Die letzten Jahre hatte das soweit auch ganz gut funktioniert, bin jetzt aber irgendwie reifer und vor allem weiß ich mittlerweile wirklich was ich will; und hab mich jetzt doch noch umentscheiden.
Vermutlich ist mit ein Grund dafür, dass sonst irgendwie alles so läuft, wie ichs mir Vorstelle
Da magst Du recht haben. Mit 26 steht man in den meisten Fällen doch schon ein bißchen gefestigter im Leben als noch mit 19.
Zitat:aber ich denke auf jeden Fall schon, dass man ohne Probleme und vor allem Glücklich "im falschen Körper" weiterleben könnte.
Hmm... vielleicht nicht gerade, wenn man das als "falsch" empfindet. Da war die Ausgangsfrage des Threads wohl ein bißchen unglücklich verpackt.