Beitrag #106
16.03.2012, 18:16
(16.03.2012, 11:21)Eva schrieb: Nein nicht ihr, sondern ich argumentiere so. Die Methoden, mit denen die Normalität der Majorität legitimiert wird und „die Anderen“ minorisiert, pervertiert und pathologisiert werden, bleiben doch recht gleich.
Eva, Eva, kannst, oder willst Du es nicht verstehen? Es geht darum, dass die Mehrheit der TS medizinische Anpassunge benötigt, die für diese Menschen überlebenswichtig sind. Und diese Anpassungen werden von den öffentlichen Gesundheitssystemen nur dann bezahlt, wenn es eine "Krankheitsdiagnose" gibt.
"Kosmetische Behandlungen", und als solche würden HRT und GA-OP im Fall der ersatzlosen Streichung von F 64.0 gelten, müssen und werden von den KK nicht bezahlt.
Ein Wegfall der Krankheitwertigkeit von TS würde daher viele Betroffene, immerhin leben etwa 2/3 der TS von Notstands- oder Sozialhilfe, bzw. Mindestsicherung, in großes Unglück stürzen, da sie niemals die mehreren tausend Euros, die dann zu den heute schon hohen Kosten für Psychotherapie, Epilation, etc., noch zusätzlich anfallen würden, aufbringen können.
Eva, es ist schön, dass Du ohne GA-OP und dergleichen leben kannst, und ich freue mich, dass es inzwischen auch rechtlich möglich ist mit den passenden Papieren so leben zu dürfen, aber die große Mehrheit der Betroffenen, mich eingeschlossen, können das eben nicht, und hätten das nie und nimmer gekonnt.
Depathologisierung bedeutet diesen Betroffenen den Boden utner den Füßen wegzuziehen. Ist daher diese Depathologisierung das Wichtigste, oder ist es nicht wichtiger die Betroffenen zu vertreten und um ihre Bedürfnisse zu kämpfen?
(16.03.2012, 11:21)Eva schrieb: Man mag meinen, dass es für die Pathologisierungsdiskussion irrelevant ist, dass Jean d’Arc wegen Crossdressen verbrannt wurde. Man mag meine, dass das Crossdressingverbot, das die Nazis auch für Faschingsumzüge durchgesetzt haben, historisch ist. Aber es ist genau diese Geschichte, die bis heute weiter wirkt.
Nun ich bin überzeugt, dass die Engländer Jean d´Arc auch dann ermordet hätten, wenn sie die französischen Soldaten in wehenden Frauenkleidern zum Sieg geführt hätte.
Andreas Hofer hat auch nicht in Frauenkleidern gekämpft und wurde von den Besatzern trotzdem vom Leben zum Tode befördert.
Krieg bedeutet immer Leid und Ungerechtigkeit.
Da wir aber nicht mehr im Mittelater leben, ist Crossdressing heute auch nicht mehr verboten. Also hinkt Dein Vergleich ganz gewaltig.
Was die Nazis anbelangt, so ist eine Diskussion drüber wohl müßig. Dieses Verbrecherpack hat viel mehr auf dem Kerbholz als nur ein Crossdressingverbot.
Und was denkst Du, was passieren würde, wenn "Hitlers Erben" wieder an die Macht kommen, und die Bundesregierung stellen würden?
(16.03.2012, 11:21)Eva schrieb: Als TGs leben wir mit der Geschichte von Ausgrenzung, Meuchelmorden, Strafverfolgung, Elektroschocks, KZs, Entmündigung und der Psychiatrisierung. Für Trans-Personen gab es lange nur eine Perspektive: die geschlossen Anstalten.
Wir wissen um die Problematik und die Gewalt gegen Transgenderpersonen in vielen Ländern, auch in Europa und innerhalb der EU. Wir wissen auch von Beschimpfungen und leichten Übergriffen gegen TG´s hier in Österreich. Aber es gibt hier bei uns für TG´s keine Morde, keine Strafverfolgung, keine KZ´s, keine Elektroschocks, keine Entmündigung und keine Zwangseinweisung in die Psychiatrie. Sorgen wir lieber dafür, dass die politische Landschaft in unserem Land so bleibt, dass sich das nicht ändert. Die Zeiten der geschlossenen psychiatrischen anstalten für TG´s sind vorbei. Kämpfen wir darum, dass sie nie mehr wiederkommen.
(16.03.2012, 11:21)Eva schrieb: Heute gehen wir freundlicherweise selbst zum Psychiater. Sterilisationen sind noch immer in einigen Europäischen Rechtsordnungen „für die Anerkennung“ der Geschlechtsidentität von TS vorgeschrieben, da sich unwerte Subjekte nicht vermehren sollen. Und die erschreckend hohe Arbeitslosigkeit und Isolation von TS gibt es auch dort, wo der OP-Zwang überwunden wurde.
Die psychiatrische Diagnostik heute ist eine Differentialdiagnostik zum Ausschluss von psychischen Störungen, die sich ähnlich wie TS äußern können, aber eben nicht TS sind. Und wenn wir ReuepatientInnen, die einige Jahre nach der Genital-OP draufkommen einen Fehler gemacht zu haben, weitgehend vermeiden wollen, ist diese Differentialdiagnostik wohl unverzichtbar.
Was den in eingien Ländern Europas imme rnoch geltenden OP_Zwang betrifft, so kennst Du meine Meinung dazu.Das muss und wird sich ändern. Aber dazu bedarf es halt in den meisten Fällen einer Ablöse der dortigen konservativen, rechten oder klerikalen Regierungen, oder innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU eben einer Entscheidung der nationalen oder europäischen Höchstgerichte.
(16.03.2012, 11:21)Eva schrieb: Ja, ich will mit dieser Geschichte argumentieren. Sie ist die Grundlage von F64 und F65. Und auch du musst sie nicht verleugnen um vielleicht Hormone umsonst zu bekommen.
Noch einmal. Geschichte ist vergangen und sie soll uns Lehre sein. Unsere Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass sie sich nicht wiederholt.
Aber wir leben im 21. Jahrhundert. Und wenn es für TS eben derzeit nötig ist eine Krankheitsdiagnose zu bekommen, damit die KK zur Kostentragung verpflichtet sind, dann bin ich mir sicher, dass die Betroffenen lieber als "psychisch krank" gelten und HRT, sowie GA-OP bezahlt bekommen, als mangels finanzieller Mittel ohne Anpassungsmaßnahmen, aber dafür "gesund" ihr jahre- oder jahrzehntelanges Leid weiterhin tragen zu müssen.
Eva, eventuell solltest Du Dich wieder verstärkt mit TS befassen, für die Anpassungen lebensnotwendig sind, um wieder mehr Verständnis für diese Menschen zu bekommen.
(16.03.2012, 13:02)Eva schrieb: Es gibt einen F64 weil es sozialpolitische Verfolgung gab. Tja, das ist nun einmal die Geschichte der Psychiatrie.
Eva, das ist Unsinn, und das weißt Du auch ganz genau. Das was einmal war ist heute schon lange nicht mehr der Fall.
Trotzdem aber ist F 64.0, und in gewisseer Weise auch F 64.2 wichtig. Die anderen Punkte solten auch gestrichen werden, weil sie unnötig sind.
Nur sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, nur weil man sich eventuell einen kleinen Vorteil davon verspricht gegen alle F 64.x-Diagnosen zu Felde zu ziehen.