Depathologisierung - Stoppt F64.0
RE: Depathologisierung
Beitrag #24
(12.11.2011, 23:52)ChrissieWien schrieb: [hier gekürzt] Ja, dann werfe ich auch die Gebetsmühle an:
Wie schon so oft verweise ich darauf, dass die KK per Gesetz auch zur GesundheitERHALTUNG verpflichtet sind. Und dadurch IMHO auch zur Behandlung von TS, auch wenn diese selbst keine Krankheit ist. Denn eine unbehandelte TS führt zu Krankheiten - Depressionen etc.pp. bis hin zum Suzid.

Die KK müssen sich nur an ihre eigenen Regeln halten, bzw. muss man sie darauf festnageln.
Leider gibt es für Letzteres, und da muss ich Angelika recht geben, weder einen Nagel, noch eine Wand, noch einen geeigneten Hammer.

Es stimmt natürlich, dass das Gesetz den Trägern der Krankenversicherung auch die Pflicht aufträgt, für Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge Sorge zu tragen (u.a. § 132c ASVG, Vorsorgeuntersuchungen), blabla, aber die "harten", sprich: individuell einklagbaren Ansprüche wurzeln im Leistungskatalog des § 117 ASVG (Verweise und Fundstellen gekürzt):

Zitat:
Leistungen

§ 117. Als Leistungen der Krankenversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt:

1. Zur Früherkennung von Krankheiten: Jugendlichenuntersuchungen und Vorsorge(Gesunden)untersuchungen (§§ 132a und 132b); [...]

2. aus dem Versicherungsfall der Krankheit: Krankenbehandlung (§§ 133 bis 137), erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege (§ 151) oder Anstaltspflege (§§ 144 bis 150); [...]

3. aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit: Krankengeld (§§ 138 bis 143); [...]

4. aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft:

a) ärztlicher Beistand, Hebammenbeistand sowie Beistand durch diplomierte Kinderkranken- und Säuglingsschwestern (§ 159); [...]

b) Heilmittel und Heilbehelfe (§ 160);

c) Pflege in einer Krankenanstalt (auch in einem Entbindungsheim) (§ 161);

d) Wochengeld (§ 162). [...]

e) Aufgehoben. [...]

5. Aufgehoben.

Wann der Versicherungsfall der Krankheit eingetreten ist, steht auch klar im Gesetz:

Zitat:
Eintritt des Versicherungsfalles

§ 120. Der Versicherungsfall gilt als eingetreten:

1. im Versicherungsfall der Krankheit mit dem Beginn der Krankheit, das ist des regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der die Krankenbehandlung notwendig macht; [...]

Wenn Transsexualismus keine Krankheit ist, bräuchte man daher eine Sonderklausel, um für TS einen Anspruch auf Psychotherapiekostenbeitrag, Medikamenten- und OP-Kosten plus Krankenhauspflege zu begründen (ähnlich wie bei der Übernahme der Kosten des Organspenders, § 120a ASVG).

Ohne "Krankheitswertigkeit" müsste daher m.E. das ASVG geändert werden, um die Kostenübernahme zumindest im derzeitigen Umfang sicherzustellen.

Die Entscheidung, was eine Krankheit ist, trifft aber nicht das Gesetz, das eine Krankheit lediglich als "regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der die Krankenbehandlung notwendig macht" definiert. Was regelwidrig ist, Körper oder Geist, und welche Behandlung indiziert ist, entscheiden de facto die Fachleute der einschlägigen (medizinischen) Wissenschaften, d.h. Ärztinnen/Ärzte und (Psycho-) Therapeut/inn/en. Der ICD kommt als Begriff im ASVG nicht einmal vor.

Daher noch einmal meine These: Ist bei TS nicht eigentlich der Körper "regelwidrig" im Sinne des Gesetzes? Das ist eine medizinische, keine rechtliche Frage. Wer stellt die "Regel" auf, wie man zu sein hat? Im modernen Sinne doch wohl eher das Gehirn als Sitz des Bewusstseins - oder doch die Gene? Einmal XY, immer XY? Huh

Das Klammern an die psychiatrische Diagnose F-64.0 schützt nämlich nicht davor, bei einem Umschwung im wissenschaftlichen Denkansatz (oder auch nur nach einem konspirativen Pow-Wow der unter Einsparungsdruck stehenden Kassen-Chefärzte) doch wieder auf die Couch und zur Psychopillen-Ausgabe geschickt zu werden. Denn die Folgerung "psychische Erkrankung --> psychiatrische Therapie" schaut für eine/n oberflächliche/n (und sachunkundige/n) Betrachter/in einfach bestechend/bestechend einfach aus.

Derzeit ist das zwar kein Diskussionsthema, aber ich meine doch, dass Angelika ihre (Suggestiv-) Frage falsch und irreführend stellt. Es geht nie um die Frage: "Was wollt ihr?" - der Gedanke, den Patienten über die Diagnose abstimmen zu lassen, könnte in Ärztekreisen für schallendes Gelächter sorgen! - sondern immer um die Frage: "Was braucht ihr?" Krankheit bedeutet zu einem großen Teil Fremdbestimmung, daher kann ich das Bestehen darauf, krank zu sein, nur zum Teil (aus finanzieller Sicht natürlich) verstehen.

Ach ja, damit jetzt niemand meint: "Du hast leicht reden!" Ich leide an einer schweren, chronischen Krankheit, und ohne vielfache tägliche Zufuhr verschiedener Medikamente würde sich mein Gesundheitszustand rasch gravierend verschlechtern (nein, es ist nicht HIV, es ist keine übertragbare Krankheit, damit da keine Gerüchte aufkommen!). Ich weiß also, was die Sozialversicherung wert ist, und was es heißt, krank zu sein.


- Sag' Du mir, in welche Schublade ich passe! Wave   -
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