Beitrag #1
24.09.2012, 13:53
Liebe Leute,
Nachdem ich ja einige Zeit hier nur mehr mitgelesen habe, habe ich nun Lust bekommen, meine Erfahrungen in letzter Zeit mitzuteilen. Vielleicht macht das ja der Einen oder dem Anderen Mut. Wer längere Posts nicht mag, sollte diesen hier vielleicht überspringen, denn ich versuche, einen längeren Zeitraum zu beschreiben – zwar so knapp wie möglich, aber dennoch wird’s wohl etwas länger.
…
Ich bin eine sehr (über?-)reflektierte, vorsichtige und teilweise ängstliche Person. Mit einem dementsprechend großen Dilemma war ich konfrontiert, als ich feststellte, dass ich meine gelebte und körperlich repräsentierte Geschlechtsrolle unbedingt wechseln muss, um eine Chance auf ein glückliches und erfülltes Leben zu haben.
Nun, die ersten Schritte dahin waren schnell und relativ leicht getan. Ich begab mich in Psychotherapie, fing an, meine Stimme zu trainieren, ließ den Bart entfernen, überwand meine Ängste und trat zunächst im geschützten Kreis (Danke an Christa und ihre Palmenhausrunde!), und später bei immer mehr Gelegenheiten in femininer Kleidung auf. Ich informierte sukzessive meinen Freundeskreis, der 1. nicht überrascht war und 2. toll und einfühlsam reagierte. Andere Freunde lernte ich bereits nur mehr in der "neuen" Form kennen. Mein Passing funktionierte erstaunlicherweise gut, obwohl ich körperlich keine Änderungen durchgeführt hatte.
Und dann stieß ich an meine Grenzen. Eigentlich war ja alles klar – ich war mir sicher, dass ich zu 100 % als Frau leben wollte. Ich wollte meinen Körper so gut es geht verweiblichen. Es ging nicht. Einerseits machte mir der Beginn der Hormontherapie so starke Angst, dass ich am ersten Tag zähneklappernd in die Arbeit fahren musste und die Therapie dann abbrach. Ständig musste ich an Thromboembolien (eine sehr seltene, aber mögliche Nebenwirkung der Östrogenanwendung) denken. Auch das Outing in der Arbeit schob ich vor mir her, aus Angst, meinen Job zu verlieren. Zu viele Horrorgeschichten hatte ich bei TransX, Trans-Austria usw. gehört. Meine Eltern wussten theoretisch Bescheid, doch ich brachte es nicht fertig, mich ihnen in der neuen Identität zu zeigen. So lebte ich weiter in der Doppelrolle – mit dem Gefühl, an mir selbst gescheitert zu sein. Ich wurde depressiv und zog mich zurück.
…
Zeitsprung von etwa 1 1/2 Jahren.
Heute habe ich meinen Personalausweis auf den neuen Namen erhalten. Sogar das selbstgemachte (und ein klein wenig gephotoshoppte) Passfoto wurde akzeptiert. Überhaupt muss ich echt sagen, dass ich die Schimpferei über die Ämter nicht nachvollziehen kann: Meine Personenstandsänderung ging zügig und ohne Probleme über die Bühne, auf den Ämtern waren alle wunderbar freundlich, kompetent, hilfreich und bemüht.
Ach ja, jetzt muss ich den neuen Ausweis noch bei der Personalstelle in der Firma vorbeibringen. Kaum zu glauben, dass ich dort vor 2 Monaten noch als Mann aufgetreten bin. Ich erinnere mich immer noch gerne daran, wie unterstützend und positiv alle bei meinem Firmenouting reagiert haben. Ich bekam viele Zuspruch und liebe Mails – teilweise von Leuten, die ich vorher noch gar nicht richtig gekannt hatte.
Heute war ich auch wieder im Labor. Ich hoffe, dass ich immer noch so tolle Hormonwerte habe wie beim ersten Mal – Estrogel scheint über meine Haut ausgesprochen gut aufgenommen zu werden. Auch von den berüchtigten Nebenwirkungen von Androcur spüre ich nichts. Ich fühle mich ausgesprochen gut. Veränderungen bemerke ich noch recht wenige, aber was will man nach nur einem Monat Hormontherapie schon erwarten – noch dazu mit 37? Freilich gibt es aber schon kleine, aber feine Wirkungen: Meine Haut sieht viel geschmeidiger aus und mein ganzer Körper fühlt sich irgendwie weicher an. Meine Haare fetten kaum mehr und ich bekomme keine Schuppen mehr (sehr praktisch – weniger oft Haarewaschen!). Man sieht die Adern an den Händen und Füßen etwas weniger. Manchmal denke ich, mein Gesicht sieht subtil weicher aus – aber das kann auch Einbildung sein. Ich bin jedenfalls schon neugierig, was sich sonst noch so tut. Ich kann mir kaum noch vorstellen, warum ich damals so Angst vor der HRT hatte.
Heute habe ich wieder mit meiner besten Freundin über unsere Reise nach Belgien gesprochen. Ich habe endlich meinen Termin für die FFS, und sie wird mich netterweise begleiten. Der Chirurg, der mich operieren wird, ist total sympathisch, kompetent und vertrauenserweckend. Beim Beratungsgespräch versuchte er nicht (wie manche andere Chirurgen), mir irgendwelche zusätzlichen Prozeduren nahezulegen, sondern beschränkte sich auf das Notwendigste – ganz in meinem Sinne. Eine Freundin, die ich nach ihrer OP bei ihm besucht hatte, sieht jetzt großartig aus. Natürlich ist mir auch ein bisschen mulmig, aber ich freue mich insgesamt auf die OP.
Meinen Eltern habe ich bis jetzt noch nichts von der FFS erzählt – ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen. Sie haben ohnehin so viel Anpassungsarbeit in letzter Zeit geleistet. Insgesamt ist meine Familie großartig mit meiner Veränderung umgegangen. Sie akzeptieren sie vollkommen, waren ja auch nicht mal wirklich überrascht. Sogar beim Namen irren sie sich nur mehr ganz selten, und wenn, dann ist es ihnen peinlich und sie korrigieren sich sofort. Ich habe das Gefühl, diese ganze Sache hat uns einander irgendwie näher gebracht.
...
Erstaunlich, was sich in so kurzer Zeit alles ändern kann. Schon lange ist es mir nicht mehr so gut gegangen. Ich wünsche euch allen von Herzen, dass ihr auch so schöne Erfahrungen macht!
Alles Liebe,
Iris
Nachdem ich ja einige Zeit hier nur mehr mitgelesen habe, habe ich nun Lust bekommen, meine Erfahrungen in letzter Zeit mitzuteilen. Vielleicht macht das ja der Einen oder dem Anderen Mut. Wer längere Posts nicht mag, sollte diesen hier vielleicht überspringen, denn ich versuche, einen längeren Zeitraum zu beschreiben – zwar so knapp wie möglich, aber dennoch wird’s wohl etwas länger.
…
Ich bin eine sehr (über?-)reflektierte, vorsichtige und teilweise ängstliche Person. Mit einem dementsprechend großen Dilemma war ich konfrontiert, als ich feststellte, dass ich meine gelebte und körperlich repräsentierte Geschlechtsrolle unbedingt wechseln muss, um eine Chance auf ein glückliches und erfülltes Leben zu haben.
Nun, die ersten Schritte dahin waren schnell und relativ leicht getan. Ich begab mich in Psychotherapie, fing an, meine Stimme zu trainieren, ließ den Bart entfernen, überwand meine Ängste und trat zunächst im geschützten Kreis (Danke an Christa und ihre Palmenhausrunde!), und später bei immer mehr Gelegenheiten in femininer Kleidung auf. Ich informierte sukzessive meinen Freundeskreis, der 1. nicht überrascht war und 2. toll und einfühlsam reagierte. Andere Freunde lernte ich bereits nur mehr in der "neuen" Form kennen. Mein Passing funktionierte erstaunlicherweise gut, obwohl ich körperlich keine Änderungen durchgeführt hatte.
Und dann stieß ich an meine Grenzen. Eigentlich war ja alles klar – ich war mir sicher, dass ich zu 100 % als Frau leben wollte. Ich wollte meinen Körper so gut es geht verweiblichen. Es ging nicht. Einerseits machte mir der Beginn der Hormontherapie so starke Angst, dass ich am ersten Tag zähneklappernd in die Arbeit fahren musste und die Therapie dann abbrach. Ständig musste ich an Thromboembolien (eine sehr seltene, aber mögliche Nebenwirkung der Östrogenanwendung) denken. Auch das Outing in der Arbeit schob ich vor mir her, aus Angst, meinen Job zu verlieren. Zu viele Horrorgeschichten hatte ich bei TransX, Trans-Austria usw. gehört. Meine Eltern wussten theoretisch Bescheid, doch ich brachte es nicht fertig, mich ihnen in der neuen Identität zu zeigen. So lebte ich weiter in der Doppelrolle – mit dem Gefühl, an mir selbst gescheitert zu sein. Ich wurde depressiv und zog mich zurück.
…
Zeitsprung von etwa 1 1/2 Jahren.
Heute habe ich meinen Personalausweis auf den neuen Namen erhalten. Sogar das selbstgemachte (und ein klein wenig gephotoshoppte) Passfoto wurde akzeptiert. Überhaupt muss ich echt sagen, dass ich die Schimpferei über die Ämter nicht nachvollziehen kann: Meine Personenstandsänderung ging zügig und ohne Probleme über die Bühne, auf den Ämtern waren alle wunderbar freundlich, kompetent, hilfreich und bemüht.
Ach ja, jetzt muss ich den neuen Ausweis noch bei der Personalstelle in der Firma vorbeibringen. Kaum zu glauben, dass ich dort vor 2 Monaten noch als Mann aufgetreten bin. Ich erinnere mich immer noch gerne daran, wie unterstützend und positiv alle bei meinem Firmenouting reagiert haben. Ich bekam viele Zuspruch und liebe Mails – teilweise von Leuten, die ich vorher noch gar nicht richtig gekannt hatte.
Heute war ich auch wieder im Labor. Ich hoffe, dass ich immer noch so tolle Hormonwerte habe wie beim ersten Mal – Estrogel scheint über meine Haut ausgesprochen gut aufgenommen zu werden. Auch von den berüchtigten Nebenwirkungen von Androcur spüre ich nichts. Ich fühle mich ausgesprochen gut. Veränderungen bemerke ich noch recht wenige, aber was will man nach nur einem Monat Hormontherapie schon erwarten – noch dazu mit 37? Freilich gibt es aber schon kleine, aber feine Wirkungen: Meine Haut sieht viel geschmeidiger aus und mein ganzer Körper fühlt sich irgendwie weicher an. Meine Haare fetten kaum mehr und ich bekomme keine Schuppen mehr (sehr praktisch – weniger oft Haarewaschen!). Man sieht die Adern an den Händen und Füßen etwas weniger. Manchmal denke ich, mein Gesicht sieht subtil weicher aus – aber das kann auch Einbildung sein. Ich bin jedenfalls schon neugierig, was sich sonst noch so tut. Ich kann mir kaum noch vorstellen, warum ich damals so Angst vor der HRT hatte.
Heute habe ich wieder mit meiner besten Freundin über unsere Reise nach Belgien gesprochen. Ich habe endlich meinen Termin für die FFS, und sie wird mich netterweise begleiten. Der Chirurg, der mich operieren wird, ist total sympathisch, kompetent und vertrauenserweckend. Beim Beratungsgespräch versuchte er nicht (wie manche andere Chirurgen), mir irgendwelche zusätzlichen Prozeduren nahezulegen, sondern beschränkte sich auf das Notwendigste – ganz in meinem Sinne. Eine Freundin, die ich nach ihrer OP bei ihm besucht hatte, sieht jetzt großartig aus. Natürlich ist mir auch ein bisschen mulmig, aber ich freue mich insgesamt auf die OP.
Meinen Eltern habe ich bis jetzt noch nichts von der FFS erzählt – ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen. Sie haben ohnehin so viel Anpassungsarbeit in letzter Zeit geleistet. Insgesamt ist meine Familie großartig mit meiner Veränderung umgegangen. Sie akzeptieren sie vollkommen, waren ja auch nicht mal wirklich überrascht. Sogar beim Namen irren sie sich nur mehr ganz selten, und wenn, dann ist es ihnen peinlich und sie korrigieren sich sofort. Ich habe das Gefühl, diese ganze Sache hat uns einander irgendwie näher gebracht.
...
Erstaunlich, was sich in so kurzer Zeit alles ändern kann. Schon lange ist es mir nicht mehr so gut gegangen. Ich wünsche euch allen von Herzen, dass ihr auch so schöne Erfahrungen macht!
Alles Liebe,
Iris
*** Bitte keine Anfragen mehr bezüglich OP-Bilder von Dr. Schaff. Ich versende diese schon lange nicht mehr. Vielen Dank! ***