Wie gefährlich ist Transsexualität?
RE: Wie gefährlich ist Transsexualität?
Beitrag #15
Die Diagnose „krankheitswertiger Leidensdruck“ ist Voraussetzung für die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krakas.
 
Dieser Leidensdruck entsteht gewiss zu einem Teil dadurch, dass eine – von den Betroffenen als zu groß empfundene - Anzahl von Mitmenschen, deren Urteil den Betroffenen wichtig ist, ihnen die Anerkennung als Angehörige des anderen Geschlechtes verweigert.
 
Doch ist dieser Druck von außen nur ein Verursacher des Leidensdrucks.
 
„Der Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden…geht meist mit Unbehagen oder dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zum eigenen anatomischen Geschlecht einher.“
Während hier noch die Einschränkung „meist“ steht, wird der nächste Satz ganz deutlicher
„Es besteht der Wunsch nach chirurgischer und hormoneller Behandlung, um den eigenen Körper dem bevorzugten Geschlecht so weit wie möglich anzugleichen.“
 
Hier ist eindeutig vom eigenen Erleben die Rede.
Von der eigenen Seele (manche sagen lieber Psyche, was das griechische Wort für dasselbe ist) und vom eigenen Körper, die durch ihr Nichtzusammenpassen einen Leidensdruck erzeugen.
 
Wenn ein transsexueller Mensch die an ihm ausgebildeten Geschlechtsmerkmale primärer, sekundärer oder tertiärer Art als nicht zu sich gehörig, als falsch oder ekelig empfindet, dann reicht dieser Leidensdruck aus,um „through hormonal treatment, surgery or other health care services to make the individual's body align, as much as desired and to the extent possible, with the experienced gender“.
 
Niemand kann garantieren, dass dadurch der Leidensdruck vollständig verschwindet.
Das ist ein ganz individuelles Erleben.
 
So ist es auch im Umgang mit den Reaktionen der Mitmenschen.
Manchen transsexuellen Menschen macht es tatsächlich nichts aus, wenn ihr Chromosomengeschlecht schnell erkannt wird.
Manche sind so glücklich darüber, keine als unpassend empfundenen Geschlechtsklischees mehr erfüllen zu müssen, dass sie ihr wahres Geschlecht jetzt mit einer Freude und Selbstverständlichkeit ausleben, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sind, was sie zu sein empfinden – auch wenn das „Passing“ nicht immer 100%ig ist.
Für diese haben nur diejenigen Probleme, die mit ihnen Probleme haben.
Nicht sie selber.
 
Doch dann gibt es unter den Transsexuellen noch – die anderen.
Und wie es in Tragödien oft so ist, haben diese dann vll sogar ein Super-Passing und entsprechen fast von Natur aus so absolut dem Klischee, das als passend für das entsprechende Geschlecht vorgegeben wird, und doch…
Ist da ein Gefühl von Zwang zu einer Perfektion, die niemand je erreichen kann, schon gar nicht jemand, der in und mit einem gegengeschlechtlichen Körper aufgewachsen ist.
Sind da immer noch Wunden, die schlecht vernarbt sind oder einfach nicht heilen können, geschlagen in kleine weiche Seelen, viel zu schwach und zu zart, um die Schläge unbeschadet überstehen zu können.
Sind da Verluste, die nicht hätten sein dürfen, Lücken, die sich nie hätten öffnen dürfen.
Kälte, wo ein warmes Wort Wunder hätte wirken können.
 
Später dann - Versuche der Kompensierung.
Durch Leistung, durch Wohlverhalten endlich zu so etwas wie Liebe zu finden.
 
Also ein Verhalten, das schon Menschen niederwerfen kann, die nicht transsexuell sind.
 
Diese aber haben noch eine gewaltige Last mehr zu tragen – sie müssen das Wohlverhalten in Bereichen erbringen, die sie gar nicht können.
Um so etwas wie Liebe zu finden, müssen sie denen, von denen sie geliebt werden wollen, etwas vorspielen - doch selbst dann, wenn ihnen das gut gelingt und Liebe entsteht, gilt diese doch nicht ihnen selber, sondern nur der Rolle, die sie vorgetäuscht haben.
 
So kann es passieren, dass diese Menschen viele „Freunde“ um sich haben und doch immer einsamer werden.
 
Und dass sie – wenn sie nach und unter starkem Leiden dann endlich – ihre Transition beginnen, sie viele dieser „Freunde“ verlieren, weil die sich dann hintergangen und getäuscht fühlen.
Aus deren Sicht durchaus zu Recht.
 
Dann kann ein falscher Blick, ein auf sich selbst bezogenes Tuscheln, eine unglückliche Situation dazu führen, dass eine derart mitgenommene Seele einfach implodiert.
 
Woher soll auch die innere Kraft kommen, die den Zusammenbruch verhindern könnte?
 
Keiner der früheren Erfolge aus dem Leben im falschen Geschlecht kann da helfen, da sie alle unter den falschen Voraussetzungen errungen worden waren!
 
Der einzige Erfolg, der jetzt – im richtigen Geschlecht – zählt, kann doch nur die Anerkennung durch die Anderen, vor allem durch GeschlechtsgenossInnen sein?
 
Die Absurdität dieser Situation muss einmal genüsslich ausgemalt werden:
In einer Zeit und Gesellschaftsordnung, in der die Individualität des Individuums so hoch geschätzt wird, dass es sich selbst so weitgehend wie möglich verwirklichen darf, besteht diese individuelle Verwirklichung bei einigen darin, so weit wie möglich unter maximaler Umgestaltung ihres Körpers (inklusive des Gehirns durch entsprechende Hormongaben) angepasst zu sein (Passing), nicht aufzufallen (Stealthing) und in der Masse zu verschwinden.
 
Was kann der Sinn hinter dieser offenbaren Unsinnigkeit sein?
Sind Stealthing und Passing vll nur ein Schritt auf dem Weg zu einem neuen Selbst-Bewusstsein im richtigen Geschlecht?
Eine mehr oder weniger kurze Phase der Bestätigung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben?
Auf dem Weg zur Erkenntnis, zwar endlich auch nach außen im richtigen Geschlecht angekommen zu sein, und doch hier etwas ganz Besonderes zu sein?
 
Alle tragen wir Erinnerungen und Erfahrungen aus dem alten Geschlecht mit uns.
So sehr wir es wollten - wir können nicht bei Null anfangen, und ich glaube, das ist gut so.
Unsere gegengeschlechtliche Lebenserfahrung an Gutem und Schlechtem ist ein Schatz, den wir in unser richtiges „neues“ Geschlecht mitbringen, und es liegt an uns und unseren GeschlechtsgenossInnen, ob dieser Schatz in einer Kiste verstauben muss oder ob er leuchten darf.
 
Dann würde Transsexualität von einer Gefahr zu einer Chance für alle.
Nicht zu hassen - um zu lieben bin ich da (Antigone)
Zitat



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