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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
14.10.2017, 10:51
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.10.2017, 10:53 von Meandra.)
Hallo 3-fachMama
ich kann dich gut verstehen. Im Endeffekt zieht man eine Tochter auf und plötzlich will sie als Junge wahrgenommen werden. Das haut einem mal aus der Bahn. Meine jüngste Tochter mag Sachen, die Jungs auch gerne tun. Fußball. Autos. Technik usw. Daher bestand sogar die Sorge meiner Exfrau, ich hätte die Transsexualität ihr vererbt. Bis heute will sie auch ein Mädchen sein auch als solches wahrgenommen werden. Bis zum meinem 17. Lebensjahr war auch ich ein ganz stinknormaler Junge. Und plötzlich kam´s. Ich hasste meine Körperbehaarung, hoffte, dass mir die Brust wächst, wollte nur noch als Mädchen leben, wollte sterben als Junge, als Mädchen wiedergeboren werden. Ich kaufte mir Mädchensachen, zog sie heimlich im Bad an, weil meine Mutter ja nicht dahinterkommen sollte. Dafür habe ich mich geschämt. Und irgendwie auch nicht. Sie hat bemerkt, dass ich mir die Beine rasierte, mir Mädchenpyjamas anzog usw. Ein paar Wochen später hat sie mich am Arm gepackt, mich in die Küche gezerrt und mir prompt vor den Füßen geworfen: >>Lass dich doch umoperieren!<< Neben mir mein kleiner Bruder, der ein breites Grinsen im Gesicht hatte. Ich habe mich sowas geschämt, dass ich mein Mädchendasein aufgab und bis zu meinem offiziellen Outing nach 17 Jahren (bin 36) total unglücklich war. Was ich mir gewünscht hätte, wäre ein ruhigere Art von meiner Mutter gewesen, einen Ort, an dem wir alleine darüber reden konnten, was in mir vorgeht. Wir hätten eine Therapie ermöglichen können usw.
Und ich sag ehrlich: sie hat es bis heute nur schwer akzeptiert, dass ich jetzt ein Tochter bin. Du kannst für deinen Jungen da sein. Habe ein Ohr für ihn und begleite seinen Weg. Aufhalten kann man diese Situation nicht. Es ist sozusagen eine Veränderung im Gehirn, die halt das eigentliche Geschlecht vorgibt. Da kann man nicht aus.
Du machst es richtig. Du beschäftigst dich mit dieser Situation. Auch wenn es für dich nicht leicht ist. Aber auch für Transmenschen ist es nicht leicht. Ich wünsche euch beiden und deiner restlichen Familie alles Gute. Seid stark und wischt alles negative weg, was euch im Umfeld um die Ohren fliegt. Und seid aufnahmebereit für alles positive. Denn das überwiegt! Denn sowas von zufrieden in meinem Körper war ich schon lange nicht mehr....
Viele Grüße
Meandra
Wir Transfrauen sind etwas Besonderes, mit einem speziellen Gen
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Beziehung zu Forum/Thema: Weiblich
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
16.10.2017, 10:52
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.10.2017, 11:19 von Bonita.
Bearbeitungsgrund: Vollzitat
)
Liebe Meandra,
Dies Zeilen sind toll und sehr einfühlsam aber auch ausdrucksstark zugleich - genau für solche Beträge würde ich mir einen "Like Button" wünschen.
DANKE
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
(16.10.2017, 10:52)Martina schrieb: .... genau für solche Beträge würde ich mir einen "Like Button" wünschen.
...
Ich habe einen solchen Button auch schon mehrfach gesucht.
Vielen Dank Meandra für diese tollen Zeilen!
Der Prozess läuft und wir versuchen alles erst einmal unvoreingenommen anzunehmen. Heute habe ich ein kurzes Vorgespräch mit der kinderpsychologischen Klinik hier, ohne unser Kind. Sie hat ja Schule und sie weiß, das es erst einmal nur um Abklärung einer Hilfsmöglichkeit geht. Wenn die von sich aus sagen, das sie dafür falsch sind, sparen wir uns ein ja durchaus auch schwieriges Gespräch fürs Kind. So jedenfalls sieht sie selbst das. Aber sie hofft, es passt dort alles, für den Anfang wenigstens. Kommende Woche dann Termin bei der HÄ, ohne deren Überweisung es ja leider nicht geht. Mal sehen, wie offen man diesem Thema gegenüber ist.
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
Hallo...
Den Termin heute hätte ich mir sparen können und meinem Kind habe ich das zum Glück auch. Zusammenfassend könnte man sagen lautet deren Denkweise "das ist krank, das muss weg..." Geht also mal gar nicht.
Da ich danach bei meiner eigenen Psychologin war, habe ich das Thema dort mal angesprochen und das war sehr gut so. Jetzt habe ich einen Anlaufpunkt in der Charite bekommen, wo es ein interdisziplinären Zentrum extra für diesen Bereich gibt. Dort rufe ich morgen an! Könnte ein paar gedrückte Daumen brauchen, bitte.
Habe heute auch noch einmal länger mit unserem Kind gesprochen und es tut gut zu sehen, wie sie sich nach und nach öffnet. Scheint alles schon länger in ihr zu arbeiten, seit sie 10 ist ungefähr. Sie hofft jetzt sehr auf Berlin und ich hoffe auch.
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
Schlimm, dass es immer noch solche ewig gestrigen gibt wie den, an den du zuerst geraten bist, schön dass du eine Alternative gefunden hast, ich drücke euch ganz feste beide Daumen!
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
Ja, soetwas (... Denkweise "das ist krank, das muss weg..." ...) ist leider immer noch zu finden, sogar in Mitteleuropa...
(16.10.2017, 20:27)Dreifachmama schrieb: ... Anlaufpunkt in der Charite bekommen, wo es ein interdisziplinären Zentrum extra für diesen Bereich gibt. Dort rufe ich morgen an! Könnte ein paar gedrückte Daumen brauchen, bitte...
Ich denke, dass Ihr dort kompetentere Ansprechparter/innen habt
https://diversity-netzwerk.charite.de/fi...rechst.pdf
https://diversity-netzwerk.charite.de/fi...lyer_7.pdf
https://diversity-netzwerk.charite.de/pr..._vielfalt/Zitat:Das "Diversity Netzwerk - Gelebte Vielfalt an der Charité" lädt alle Beschäftigen und Studierenden zur Vortrag-Workshop-Reihe "Trans*- und Intersexualität im Gesundheitssystem" 2016/17 ein.
Dr. med. Annette Gueldenring schrieb:https://diversity-netzwerk.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/ohne_AZ/sonstige/diversity/fest_der_vielfalt2015/Trans_Folien_Annette.pdf
Diskriminierungen im Gesundheitssystem
(Sauer, Güldenring, Tuider, 2015 Queering Trans* Gesundheit)
- Trans Menschen sind auf die Medizin angewiesen
- Medizin/Psychologie fungieren als „Geschlechtsbestimmungsinstanz“ und kontrollieren den Zugang zum Gesundheitssystem
- Voraussetzung: Irgendeine Pathologie
- In der klassischen Medizin sind nicht vorgesehen:
- Selbstbestimmung
- Transparenz
- Partizipation
- 50% der Trans*Menschen fühlen sich im dt. Gesundheitssystem diskriminiert
- Der Gesundheitsbereich ist der „zweitbelastendste“ aller Bereiche
- Z.B. Nicht im Identitätsgeschlecht angesprochen zu werden
- Aktive Diskriminierungen im Sozial-Pflegebereich
- Betten im Zimmer des nicht empfundenen Geschlechts
- Der Zugang zu nicht trans*bezogenen Gesundheitsbedarfen wird erschwert oder verweigert
- Vermeidung von Gesundheitsleistungen, die nicht trans* bezogen sind
- Kostenbeantragungsverfahren
- Lange Wartezeiten (42 % der Befragten unzufrieden)
- Hohe Ablehnungsrate
- Ungewissheit, Zunkunftsunsicherheiten, Abhängikeiten von der Verfügungsgewalt anderer
Strukturelle Mängel
- Transgesundheitsversorgung auf wenige Zentren in Deutschland begrenzt
- Unterversorgung in Angeboten niedergelassener Therapeut_innen
- Erheblicher Ausbildungsrückstand und mangelndes Wissen
- Kaum Behandlungsangebote für trans* Kinder und Jugendliche
- MDS Richtlinien als Gate Keeper
Alex Gastl schrieb:https://diversity-netzwerk.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/ohne_AZ/sonstige/diversity/fest_der_vielfalt2015/Kognitiver_Blick_auf_K%C3%B6rper_und_Geschlecht_Zum_Weitergeben.pdf
Worum geht‘s?
- Alle Menschen haben kognitive Biases: Niemand von uns nimmt eine objektive Realität wahr, ohne Filter und ohne Verzerrungen. Das ist nicht böswillig oder sonstwie intentional, es passiert einfach unbewusst.
- Bei ÄrztInnen wirken sich solche Biases auf die gesamte Interaktion mit allen PatientInnen aus -> Sie können beispielsweise zu Fehldiagnosen führen
- Trans*-Menschen und intersexuelle Menschen sind von einigen dieser Biases in besonderem Maße oder auf besondere Art und Weise betroffen (Erläuterung folgt gleich)...
OT: Einen "Like"-Button gibt es absichtlich nicht in diesem Forum, wenn man sich bei jemandem bedanken mag, dann bitte per Antwort-Beitrag (wie hier im Thread geschehen) oder via Privat-Nachricht
„NATSUME! NATSUMEe! NATSUMEee!“ — Nyanko-Sensei en.wikipedia.org/wiki/Natsume%27s_Book_of_Friends
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
(17.10.2017, 04:16)Bonita schrieb: Ja, soetwas (... Denkweise "das ist krank, das muss weg..." ...) ist leider immer noch zu finden, sogar in Mitteleuropa...
Meine Ärzte haben zum Glück kein Problem mit meiner Transidentität, für die ist das normal. Anderenfalls hätte ich auch schon lange nach Alternativen gesucht.
Aber wovon ich ein Lied singen kann, ist die Bürokratie im Gesundheitssystem, da hat man echt nur Probleme, wenn man transident ist.
Der neuste Witz, den ich erleben durfte, ich bin in der falschen Krankenkasse gelandet, das heißt im Augenblick wird sich die Familienplanung noch länger hinziehen. Aber das kann ich dir alles mal in Ruhe erzählen.
Bürokraten im Gesundheitssystem gehören echt zu den Menschen, die ich so gar nicht leiden kann. Wie die einen teilweise behandeln... schlimm.
Zu viel Wahrheit wird nicht erkannt; Zu viel Tod am Wegesrand.
Erst auf den zweiten Blick; Erkennst du was dahinter steckt.
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
Hallo Dreifachmama!
Ich verfolge diesen Thread mit Freude schon einige Zeit, es gibt bloß nichts, was ich zu all den Tipps und Ratschlägen der anderen noch hinzufügen könnte.
Mit Freude deswegen, weil ich begeistert darüber bin, wie Du versuchst, mehr über die Situation Deines Kindes und Eurer Familie in Erfahrung zu bringen und dazu zu lernen. Solche Eltern finden sich leider nur allzu selten.
Eigentlich wollte ich nur sagen: meinen Respekt, meine Hochachtung, ich verneige mich vor Dir. Deine Kinder können sich wirklich glücklich schätzen!
Die Sonne ist der Mond
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Die Nacht ist ..
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
Hallo Dreifachmama,
mir geht es genau so wie dir!
Ich lebe zwar in Österreich, habe aber auch eine 13 jährige Tochter
die gerne ein Bub wäre. Sie hat sich auch schon einen Namen ausgesucht (Adrian).
Sie hört auch gerne BTS, zieht auch nur mehr Kleidung für Jungs an und hat die
Haare kurz geschnitten. Seit einem Monat ungefähr weiß ich es, sie hat sich mir anvertraut.
Ende Oktober haben wir den ersten Termin bei einem Psychotherapeuten, der für Transgender
spezialisiert ist. Ich hoffe echt sie kann uns helfen. Da müssen wir auch zwei Stunden fahren,
weil es bei uns in der Nähe nichts gibt.
Sie hat keine weiteren Geschwister und ihr Vater weiß auch nichts davon, weil wir getrennt
Leben und kein Kontakt zwischen uns besteht.
Ich würde mich echt sehr freuen,wenn wir uns austauschen könnten!
In meiner Umgebung gibt es sonst niemanden, dem es auch so geht.
Liebe Grüße Carmen ?
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RE: Identitätsprobleme in der Pubertät
Hallo liebe Carmen, als ich heute morgen per Mail deine Antwort hier gelesen habe, war ich wirklich, wirklich erfreut. Ein solcher Austausch - von Mama zu Mama - ist gerade das was ich suche. Und so hilfreich die lieben User hier sind, als Angehörige denke ich, gehen uns nochmal andere Dinge durch den Kopf.
Bevor ich noch etwas berichte, möchte ich erzählen, dass das Internet manchmal ein Dorf ist. Und so kam es in der vergangenen Woche, das sich mein Kind als Joshua hier auch angemeldet hat und einen Austausch suchte. Wir haben das entdeckt, besprochen und sind noch in der Klärungsphase, ob sich einer von uns zurückzieht oder ob nicht auch beides geht. Wir werden sehen....
Ja, also erwähnte ich in diesem Thread schon einmal, dass mein Kind nun Joshua heißen möchte? Sie wünscht sich auch von uns so genannt zu werden, aber es gelingt mir nicht. Sie ist "sie" und trägt ihren Namen, Gewohnheit, keine Absicht. Aber selbst wenn ich versuche darauf zu achten - auf das "er" und Joshua - es will mir kaum über die Lippen. Es schwingt da glaube ich ein Stück Trauer mit, Trauer um mein kleines Mädchen. Ist das verständlich?
Mitte Dezember haben wir einen Termin in der Charite. Jegliche Versuche hier in der Nähe einen passenden Therapietermin zu bekommen, sind bislang gescheitert. Ich suche weiter...
Joshua hat trägt mittlerweile 4 Bustiers übereinander, in der Hoffnung das man dann von der weibl. Brust nichts mehr sieht. Ich stelle mir das sehr unangenehm vor, lasse ihr, nein ihm aber diese Möglichkeit offen. Boxershorts sind gekauft, jegliche Mädchenkleidung ist nach ganz hinten im Schrank verbannt.
Die Veränderung macht in meiner Mamaseele viel und ich kann das auch kaum in Worten beschreiben. Aber wir halten als Familie zusammen. Die Geschwister sind voll informiert und unterstützen, soweit sie können. Zumindest nehmen es alle als im Moment gegeben hin, das Joshua eben Joshua sein möchte. Immer leicht ist das nicht, aber das war ja abzusehen.
Ich danke allen hier für ihre Antworten und bin wirklich dankbar für den Austausch!
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